Wenn einem ein Begriff in den letzten Jahren immer wieder über den Weg läuft in Zusammenhang mit Ernährung und chronischen Erkrankungen, dann ja wohl Mikrobiom. Aber was ist das Mikrobiom eigentlich? Was weißt du darüber? “Irgendwas mit Darmflora?”- Stimmt. Oder du hast immer mal wieder was gehört, aber so einen richtigen Überblick hast du eigentlich nicht? Dann freu dich auf unseren Faktencheck “Was ist das Mikrobiom?”. Danach weißt du hoffentlich alles interessante dazu!
Was ist das Mikrobiom - die Darmflora?
Stimmt nicht so ganz. Das menschliche Mikrobiom ist eigentlich das gesamte Erbgut der Bakterien, Viren und Pilze, die auf dem menschlichen Körper leben. Obwohl die Mikroorganismen den gesamten Körper besiedeln - über Haut oder Mund bis hin zur Lunge - leben sie aber am allerliebsten im Darm. Etwa 99% des Mikrobioms sind hier angesiedelt [1]. Das Mikrobiom ist im Übrigen das Erbgut der Mikroorganismen. Sprechen wir über Organismen, ist der Begriff Mikrobiota richtiger. Der Begriff Darmflora ist mittlerweile veraltet, aber fest im Sprachgebrauch als Synonym für das Darm-Mikrobiom verankert.
Das Mikrobiom wiegt 2 Kilo?
Stimmt nicht. Lange Zeit geisterte die Annahme umher, das Mikrobiom würde 1-2 Kilo des Körpergewichts ausmachen. Diese Zahl ist nicht haltbar, vermutlich kommt sie daher, dass auch die Menge an Mikroorganismen lange Zeit überschätzt wurde. Tatsächlich wiegt das Mikrobiom nur etwa 500g, wahrscheinlich sogar weniger [1].
Es gibt 10x mehr Bakterienzellen als Körperzellen?
Stimmt nicht. Eine Frau mit 60 kg Körpergewicht hat eine geschätzte durchschnittliche Zahl von 28 Billionen Körperzellen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass im Darm etwa 10x so viele Mikroorganismen leben. Das stimmt aber nicht. Tatsächlich ist die Menge ungefähr gleich und man spricht von 39 Billionen Mikroorganismen, die in und auf uns leben. Unserer Meinung nach ist das allerdings nicht weniger beeindruckend, oder?
Lange Zeit wurde auch die Zahl der Bakterien im Stuhl überschätzt, es wurden 1 Billionen Zellen, 10 hoch 12 Zellen, angenommen. Tatsächlich sind es aber “nur” - absurd im Zusammenhang mit der Zahl die jetzt kommt - irgendwas zwischen 10-100 Milliarden koloniebildende Einheiten (kbE) Bakterien pro Gramm Stuhl [1,2].
Wir sind sprachlos bei diesen Zahlen.
Was ist das Mikrobiom? Auf jeden Fall gigantisch!
Bei Adipositas kommen besonders viele Firmicutes im Mikrobiom vor?
Stimmt - zumindest für Nager. Beim Menschen konnte bisher nicht sicher nachgewiesen werden, dass ein außergewöhnlich hoher Anteil an Firmicutes zu Übergewicht führt. Die Idee ist, dass Firmicutes mehr Energie aus der Nahrung verfügbar macht, als Bacteroides. Man spricht hier vom Firmicutes-Bacteroides-Ratio. Menschen mit mehr Firmicutes würden dementsprechend mit einer Mahlzeit mehr Kalorien zu sich nehmen. Das konnte in einigen Vergleichsstudien recht schlüssig gezeigt werden. Dennoch sprechen andere Studien dagegen oder finden keinen sicheren Zusammenhang [3].
Tatsächlich ist es insgesamt bisher schwierig, ein bestimmtes Verteilungsmuster von Mikroorganismen der Entstehung konkreter Erkrankungen zuzuordnen. Dafür gibt es zu viele verschiedene Stämme und vor allem Faktoren wie BMI, Geschlecht, Lebensstil oder die Einnahme von Medikamenten, die Krankheiten beeinflussen können. Diese Aussagen halten sich hartnäckig, denn wie schön wäre es, Krankheiten auf diese Art vorhersagen oder verhindern zu können. Die Forschungsrealität ist aber eine andere.
Klar ist jedoch, dass eine Dysbiose mit verringerter Diversität von Bakterienstämmen, einer hohen Zahl von fakultativ anaeroben Bakterien sowie Entzündungen im Darm mit der Entstehung von Krankheiten verbunden sind [2]. Die Gesundheit des Mikrobioms und des Darmes sollte also oberste Priorität für uns haben.
PMS - Das Mikrobiom ist Schuld?
Stimmt - mindestens eine Mitschuld! Relevante PMS-Symptome sind depressive Verstimmungen oder Ängste, erhöhter Appetit und Schlafstörungen. Und welche Substanzen kann die Mikrobiota bilden? Richtig: Serotonin, Dopamin und Norepinephrin, die maßgeblich die Stimmung beeinflussen, außerdem GABA was mit Gereiztheit und Ängstlichkeit verbunden ist. Auch für Appetit und Schlaf verantwortliche Hormone und Substanzen kann das Mikrobiom bilden, u.a. Leptin, Neuropeptid-Y, Galanin, Ghrelin sowie Orexin. Eine Dysbiose im Mikrobiom kann hier also durchaus zu den Symptomen beitragen.
Und wie kommt es zur Dysbiose? Sowohl Östrogen als auch Progesteron haben einen Einfluss auf das Mikrobiom. So erhöhen Östrogene die Bildung von entzündungsfördernden Stoffen, wodurch es zum Ungleichgewicht der Mikrobiota und zusätzlich zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmwand kommt. Östrogendominanz und PMS sind ganz eng verbandelt.
Einige Studien fanden bei Personen mit PMS ergänzend eine verringerte Anzahl von Stämmen, die antientzündliche und antioxidative Stoffe fördern. Zusätzlich bildet das Mikrobiom wiederum die ß-Glucoronidase, welche Östrogene in ihre aktive Form überführt. Die Aktivität von ß-Glucoronidase ist verbunden mit einem erhöhten Risiko für PMS. Diese Beobachtungen werden gestärkt durch das Ergebnis, dass die Einnahme von Antibiotika die Östrogenlevel verringert [4].
Das Mikrobiom hat Einfluss auf die Stimmung?
Das stimmt soweit - hier ist aber noch einiges an Forschung nötig. Klar ist: Es gibt eine Darm-Hirn-Achse, d.h. die Prozesse im Darm und im Gehirn sind eng miteinander verbunden. Im Darm befindet sich sogar das sogenannte “Bauchhirn”, das enterische Nervensystem. Dieses kann unabhängig vom Gehirn Prozesse in unserem Körper und sogar das Gehirn beeinflussen. Über 90% des gesamten Serotonins werden im Darm produziert, zum Teil von den Mikroorganismen selber. Dieses Serotonin kann zwar nicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden, aber über das enterische Nervensystem das Zentralnervensystem beeinflussen.
Außerdem bildet die Mikrobiota Enzyme, die den Abbau der Aminosäure Tryptophan zu u.a. Serotonin regulieren. Kommt es zu einem Ungleichgewicht im Mikrobiom, kann das zum einen die Konzentration an Serotonin im Gehirn beeinflussen und zum anderen die Ausschüttung von Neurotransmittern im Gehirn hemmen, die wiederum für unsere Stimmung und psychische Gesundheit verantwortlich sind. Zusätzlich kann es zu einer Entzündung im Nervengewebe und zu einer Veränderung der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke führen.
Probiotika sind nützlich für ein gesundes Mikrobiom
Stimmt! Aber es kommt darauf an, welche Stämme im Probiotikum drin sind! Um Entzündungen zu reduzieren, sollten auf jeden Fall Lactobacillus und Bifidobakterien enthalten sein. Entzündungen scheinen ein wichtiger Faktor in der Entstehung von mentalen Beschwerden zu sein. Die beiden Spezies können außerdem die Durchlässigkeit der Darmwand reduzieren und so leaky gut und seine Folgen verbessern. Probiotika können deine Blutfettwerte regulieren.
Die aktuelle Studienlage zeigt, dass der langfristige Verzehr (mindestens ein Monat) von Probiotika positive Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit hat. Bei Ratten konnte es sogar Stress und Depressionen reduzieren. Hier war besonders Lactobacillus rhamnosus wichtig. Auch spannend: Bei Mäusen mit Depression und Ängstlichkeit fanden die Forscher eine Verringerung von Lactobazillen im Mikrobiom plus eine Erhöhung von Entzündungsmarkern. Die Gabe von Probiotika konnte die Anzahl an Lactobazillen erhöhen, die Entzündungswerte verbessern und die Symptome der Mäuse verringern.
Lactobacillus und Bifidobacterium säuern die Umgebung im Darm an. Das gefällt vor allem gesundheitsförderlichen Bakterien. Dadurch wird ein gesundes Mikrobiom gestärkt. Außerdem haben Probiotika sich in Studien u.a. hilfreich bei Laktoseintoleranz, Durchfallerkrankungen, Darmgeschwüren und der Stärkung des Immunsystems gezeigt [5].
Hilfreich ist, wenn du dein Probiotikum zusammen mit einem prebiotischen Nahrungsergänzungsmittel zu dir nimmst, alos den Mikroorganismen die Ballaststoffe, die sie für ihre Ernährung verwenden, gleich mit lieferst [6].