Ist dir schon mal aufgefallen, dass dir ein und dieselbe Arbeit je nach Zyklusphase mal leicht fällt oder dafür sorgt, dass du danach eine große Pause benötigst? Oder dass es Tage gibt, ab denen du dich einfach nicht konzentrieren kannst und du dich regelrecht zwingen musst, deine Aufgaben zu erledigen?
Der Arbeitsalltag als Spiegel patriarchaler Strukturen – und warum er nicht zyklusgerecht ist
Klar, es liegt am Zyklus, denn die Hormone haben unterschiedliche Auswirkungen auf unsere Leistungsfähigkeit. Verrückt aber, dass im normalen Arbeitsalltag diese zyklischen Schwankungen überhaupt nicht berücksichtigt werden und somit vorprogrammiert ist, dass wir uns manchmal mit bestimmten Aufgaben quälen. Das liegt am Ursprung unserer heutigen Arbeitsstrukturen.
Inhalt:
Unser Arbeitsalltag ist historisch gewachsen - in patriarchalen Strukturen
Testosteron vs. Östrogen-Progesteron-Zyklus
Konkrete Auswirkungen im Arbeitskontext
Warum es problematisch ist gegen den Zyklus zu arbeiten
Was wäre ein zyklusfreundlicher Arbeitsalltag?
Fazit - Zyklusgerechtes Arbeiten nutzt Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden
Unser Arbeitsalltag ist historisch gewachsen - in patriarchalen Strukturen
Unsere heutigen Arbeitsstrukturen – mit klassischer Arbeitszeit von 8-16 Uhr über lineare Leistungsanforderungen bis hin zur Bewertung von Produktivität – stammen größtenteils aus einem Zeitalter, in dem Frauen* noch selten einer regelmäßigen Arbeit nachgingen. Der „Standard-Arbeitnehmer“ war:
- männlich,
- gesund,
- verheiratet mit einer nicht arbeitenden Frau, die sich um Familie & Alltag kümmerte,
- körperlich und emotional konstant belastbar, da nicht zyklisch beeinflusst.
Dieser Standard wurde nie grundlegend überdacht, obwohl sich die Realität der Arbeitswelt – und vor allem die der Arbeitnehmerinnen – stark verändert hat.

Testosteron vs. Östrogen-Progesteron-Zyklus
Männliche und weibliche Arbeitnehmerinnen können nicht jederzeit gleich funktionieren. Das liegt in der Natur unterschiedlicher Hormonsystem, die Auswirkung auf die Funktion unseres Körpers haben. Die gleiche Aufgabe benötigt an manchen Tagen des Zyklus immens mehr Kraft oder Überwindung - und das monatlich. Männer haben diese regelmäßigen Schwankungen nicht.
Männlicher Hormonverlauf:
- Testosteron folgt einem täglichen Rhythmus – es ist morgens am höchsten, fällt im Tagesverlauf ab.
- Das fördert lineare Leistungsfähigkeit: Fokus, Energie, Durchsetzungskraft – besonders vormittags.
Weiblicher Hormonverlauf:
- Frauen durchlaufen im Schnitt alle 28 Tage vier hormonelle Phasen (Menstruation, Follikelphase, Eisprung, Lutealphase), die alle unterschiedliche körperliche, emotionale und kognitive Zustände mit sich bringen:
- Follikelphase (Anstieg von Östrogen): mehr Energie, Fokus, Offenheit
- Eisprung (Peak): soziale Energie, kommunikativ, selbstbewusst
- Lutealphase (hohes Progesteron): Rückzug, Ruhebedürfnis, vermehrt Stressanfälligkeit
- Menstruation: Reduzierte Energie, Bedürfnis nach Rückzug und Schonung
Frauen haben nicht „weniger Energie“ – sie haben ein anderes Energieprofil.
Konkrete Auswirkungen im Arbeitskontext
Bestimmt sind die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit nicht jeden Monat gleich stark und auch von Person zu Person unterschiedlich stark. Dazu kommt, dass wir es ja nicht anders gewohnt sind und vermehrten Stress gar nicht auf unsere Zyklusphase zurückführen. Es lohnt sich, das einmal zu beobachten.
- Meetings morgens um 8 Uhr? Optimal für Männer, für menstruierende Frauen in der Luteal- oder Menstruationsphase ein Graus.
- Konstante Leistungserwartung (jeden Tag gleich viel Output): zyklusfremd
- Verzicht auf Pausen oder flexible Tagesgestaltung: ignoriert weibliche Bedürfnisse
- Tabuisierung hormoneller Themen (z. B. PMS, Endometriose, PCOS): führt zu Schuld- und Schamgefühlen bei Betroffenen

Warum sind die Arbeitsstrukturen für Menstruierende problematisch?
“Die sollen sich mal nicht so haben, jede*r hat mal einen schlechten Tag”. Ja, aber Menstruierende sind gezwungen, sich regelmäßig entgegen ihrer hormonellen und körperlichen Verfassung zu verhalten, weil unserer Arbeitsstruktur auf den Testosteronhaushalt optimiert ist. Oder würdest du einen Marathon laufen mit einem Magen-Darm-Infekt?
Die aktuelle Arbeitsstruktur:
- fördert Burnout bei Frauen, vor allem wenn sie in der Lutealphase oder bei chronischen Beschwerden funktionieren sollen wie in der Hochphase,
- führt zu chronischem Stress, welcher zu Hormonungleichgewicht und Nebennierenermüdung führen kann,
- entwertet zyklische Intelligenz – also das Wissen um eigene hormonelle Stärken und Schwächen,
- erschwert Vereinbarkeit von Arbeit, Gesundheit und Körperkompetenz.
Was wäre ein zyklusfreundlicher Arbeitsalltag?
Ein zyklusfreundlicher Arbeitsalltag ist machbar! Wir bei fenou als reines Frauenteam wissen immer ganz genau, in welcher Zyklusphase wir uns gerade befinden und können so Rücksicht aufeinander nehmen. Klar können auch wir nicht alle Aufgaben in die ideale Phase aufschieben, aber Home Office und freie Zeitgestaltung ermöglichen uns schon mal sehr viel Freiraum.
Wie sich der Arbeitsalltag zyklusgerechter gestalten lässt:
- Flexible Arbeitszeiten & Homeoffice, um Phasen niedriger Energie auszugleichen
- Bewusstsein im Team, wann Meetings & Präsentationen am besten platziert sind
- Anerkennung zyklischer Leistungskurven – ähnlich wie man z. B. Jetlag, chronische Erkrankungen oder unterschiedliche Biorhythmen berücksichtigt
- Aufklärung & Enttabuisierung: Workshops, Weiterbildung für HR und Führungskräfte

Fazit - Zyklusgerechtes Arbeiten nutzt Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden
Der moderne Arbeitsalltag wurde für eine Realität konzipiert, die längst nicht mehr existiert: den männlichen Alleinverdiener mit konstanter Leistungsfähigkeit. Dass menstruierende Frauen heute in diesen starren Strukturen funktionieren müssen, führt zu einem systematischen Nachteil, der weit über individuelle "schlechte Tage" hinausgeht.
Die Lösung liegt nicht darin, weibliche Zyklen als Schwäche zu betrachten, sondern sie als natürliche Variation der menschlichen Leistungsfähigkeit anzuerkennen. Unternehmen, die flexible Arbeitsmodelle einführen und zyklische Bedürfnisse respektieren, profitieren nicht nur von zufriedeneren und gesünderen Mitarbeiterinnen, sondern nutzen auch das volle Potenzial weiblicher Arbeitskraft.
Ein Wandel hin zu zyklusfreundlichen Arbeitsstrukturen ist keine Utopie, sondern eine Frage des Willens und der Aufklärung. Es ist Zeit, dass sich die Arbeitswelt an die Menschen anpasst – und nicht umgekehrt. Denn wahre Gleichberechtigung bedeutet nicht, dass alle gleich funktionieren müssen, sondern dass unterschiedliche Funktionsweisen gleich wertgeschätzt werden.
Die Enttabuisierung des weiblichen Zyklus im Arbeitskontext ist der erste Schritt zu einer gerechteren und produktiveren Arbeitswelt für alle.