Inhalt:
Unterschiede im Körperbau und der Stoffwechselphysiologie
Follikelphase - Perfekt für Krafttraining von Frauen
Ovulation- Bester Zeitpunkt für Frauen und Muskelaufbau
Lutealphase - Lieber etwas ruhiger
Zyklusbasiertes Training - Anlaufstellen
Okay, krass! Wir haben uns schon mit allerlei Gender Gaps befasst, sei es in der Forschung, in sozialer Gerechtigkeit, Bezahlung usw. Was uns bisher aber noch gar nicht so bewusst war, ist der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Personen und ihrer Physiologie in Bezug auf sportliche Aktivität.
Zyklusbasiertes Training - Warum ist das sinnvoll?
Zyklusbasiertes Training ist gerade für Leistungssportlerinnen ein sehr interessanter Ansatz. Denn im Laufe des Zyklus verändert sich aufgrund der hormonellen Unterschiede in den einzelnen Zyklusphasen auch der Stoffwechsel und die Verwertung der Makronährstoffe Kohlenhydrate, Protein und Fett. Generell unterscheidet sich diese Verwertung eh schon zwischen den Geschlechtern: weibliche Personen ziehen Energie bei längerer Belastung eher aus der Oxidation von Fetten, wohingegen männliche Personen hier mehr Kohlenhydrate und Proteine verwerten. Während bei Männern sich diese Prozesse jedoch kaum verändern, ist die genaue Verwertung bei Menstruierenden abhängig von der Zyklusphase.
Aber nicht nur der Stoffwechsel und die Wirkung der Geschlechtshormone macht zyklusbasiertes Training sehr relevant. Auch körperliche und physiologische Unterschiede müssen beim Training beachtet werden. Hier kann man als Laiin gern ganz schnell den Überblick verlieren.
Unterschiede im Körperbau und der Stoffwechselphysiologie
Zum Glück hat Frances Elisa Weber das in ihrem Buch “Eine Frage der Phase” [1] aber ganz übersichtlich für uns zusammengefasst und wir sind verblüfft. Denn da gibt es ja wirklich einige zu beachten, was bei der Benutzung von Trainingsgeräten, der Ausführung von Übungen, der Beschaffenheit von Sportzubehör und auch der Art des Trainings relevant ist.
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Weibliche Personen sind im Durchschnitt leichter und kleiner und haben einen um 6-11% höheren Körperfettanteil, eine andere Körperfettverteilung und einen geringeren Anteil Muskelmasse als männliche Personen.
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Weibliche Personen haben in der Regel ein breiteres Becken, kürzere Beine, ein größeres Verhältnis von Bein- zu Körpergewicht sowie einen größeren Tragwinkel zwischen Oberarm und Rumpf.
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Durch das breite Becken stehen die Oberschenkel schräger. Dadurch ist wiederum der Winkel, in dem Oberschenkelmuskulatur und Kniescheibensehne zueinander stehen,größer. Die Kniescheibe wird dadurch stärker nach außen gezogen, was ein höheres Verletzungsrisiko birgt.
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Weibliche Personen haben durch ihre Anatomie und Physiologie ein höheres Verletzungsrisiko am Kreuzband sowie ein höheres Risiko für Verletzungen an Schultern und Sprunggelenk. Ursache sind elastischere Bänder sowie überaktive Muskeln, die weniger gut stabilisieren.
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Weibliche Personen haben ein kleineres Herz, dadurch wird weniger Blut pro Herzschlag gepumpt. Außerdem ist die Lungenkapazität kleiner. Dadurch haben weibliche Personen bei gleicher Belastung einen höheren Sauerstoffbedarf, und die Sauerstoffnutzung ist bei hochintensiven Aktivitäten möglicherweise weniger effizient.
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Weibliche Personen haben 15% weniger Hämoglobin, den Blutfarbstoff, der für den Transport von Sauerstoff zuständig ist. Ihnen steht daher weniger Sauerstoff bei Ausdauertraining zur Verfügung. Dafür haben sie aber mehr Typ 1-Muskelfasern, die langsamer, dafür aber ausdauernder kontrahieren.
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Die weiblichen Sexualhormone haben Einfluss auf den Stoffwechsel. So sind Sportlerinnen in der Lutealphase beispielsweise schneller außer Atem, da Progesteron eine schnellere und tiefere Atmung fördert.[1]
Warum sind diese Informationen für mich denn wichtig? Weil sich einige dieser Faktoren im Laufe des Zyklus durch die Hormonschwankungen verändern und du dein Training daran optimieren kannst und solltest. Du kannst so deine Leistung verbessern und das Verletzungsrisiko senken.
Zyklusbasiertes Training- So funktioniert es
Jede Zyklusphase birgt ihre ganz eigenen Bedürfnisse an Ernährung und Bewegung. Wenn du regelmäßig Sport machst, ist dir vielleicht schon aufgefallen, dass dir dein Training nicht immer gleich leicht fällt.
Sport während der Periode - echt jetzt?
Sport während der Menstruation klingt für dich nicht so verlockend? Das ist vollkommen okay! Denn wenn dir das Stress macht, dann ist es keine gute Idee, dich dazu zu zwingen. Prinzipiell ist dein Körper leistungsfähig, denn die Hormone Östrogen und Progesteron sind zu Beginn des Zyklus niedrig. Allerdings werden kurz vor der Menstruation sogenannte Prostaglandine ausgeschüttet. Diese sind dafür verantwortlich, dass die Gebärmutterschleimhaut abgestoßen wird, können aber auch zu Unterleibsschmerzen führen - vor allem, wenn die Wirkung durch Stress verstärkt wird. Höre also genau auf deinen Körper und wenn nötig, schalte einen Gang runter oder gönne dir eine Auszeit. Damit bist du auch nicht allein, Umfragen haben gezeigt, dass viele Sportlerinnen sich weniger leistungsfähig fühlen während der Menstruation und deshalb sogar auf die Teilnahme an Wettkämpfen verzichten [2]. Wenn du nicht ganz verzichten magst oder kannst, sind während der Menstruation lockere Trainingseinheiten wie leichtes Jogging, Stretching oder Yoga gut geeignet.
Follikelphase - Perfekt für Krafttraining von Frauen
Sport während der Periode ist also okay, dann kann es ja in der Follikelphase nur noch besser laufen, oder? Absolut. Denn in der Follikelphase spielt Östrogen die Hauptrolle und ist ein echter Power-Booster. Östrogen steigert die Proteinsynthese und senkt den Proteinabbau. Deshalb ist die Follikelphase ideal für den Muskelaufbau bei Frauen. Weitere Features: höchste Kraftwerte des Zyklus und weniger Muskelkater. Du kannst also während der Follikelphase in deinem Krafttraining die Intensität steigern, mehr Wiederholungen wagen und benötigst dazwischen nur kurze Pausen. Denn Östrogen verbessert die Regeneration und die Ausdauer. Das hat auch Auswirkungen auf Ausdauertraining, bei dem du längere Einheiten mit höherem Tempo absolvieren kannst. Da während der Follikelphase der Kohlenhydratstoffwechsel gesteigert ist, sind Kohlenhydrate während der ersten Zyklusphase eine hervorragende Energiequelle. Besonders bei HIIT kannst du dich mit einer guten Kohlenhydratversorgung auf intensive, kraftvolle Einheiten mit kürzeren Erholungsphasen freuen. Idealerweise nimmst du daher schon vor dem Training Kohlenhydrate zu dir und gönnst dir kurz nach dem Training eine Kombination von Kohlenhydraten und Protein. Übrigens ist in der Follikelphase die Konzentrationsfähigkeit erhöht. Es bietet sich also an, auch Koordinationseinheiten zur Verbesserung deiner Technik einzubauen und neue Techniken auszuprobieren.
Für eine ausreichende Erholung und die Förderung deiner Mobilität sorgt Yoga.
Ovulation- Bester Zeitpunkt für Frauen und Muskelaufbau
Vor dem Eisprung erreicht Östrogen seine Höchstwerte, diese Phase ist die beste Zeit für Frauen, um Muskelaufbau zu betreiben. Die Motivation und Energie ist bei vielen Menstruierenden nun am höchsten, das bemerkst du vielleicht auch in anderen Bereichen. Sportlich bieten sich jetzt intensive Einheiten an, solange du ausreichende Regenerationsphasen einbaust. Aber Vorsicht: Um den Eisprung herum steigt das Verletzungsrisiko. Ein gutes Warm-up ist jetzt besonders wichtig und auf für dich neue und komplexe Übungen solltest du besser verzichten. Besser eignen sich spezielle Übungen zur Verletzungsprävention für deine Muskeln und Gelenke [3].
Lutealphase - Lieber etwas ruhiger?
In der Lutealphase übernimmt Progesteron das Ruder. Das hat verschiedene Auswirkungen auf deinen Stoffwechsel. Unter anderem nimmt durch die Progesteronwirkung das Blutvolumen ab. Dadurch ist die Sauerstoffversorgung insgesamt verschlechtert, der Blutdruck nimmt ab und du bist schneller erschöpft. Außerdem ist der Fettstoffwechsel in der Lutealphase verbessert, während der Kohlenhydratstoffwechsel runtergeschraubt wird. Aus diesem Grund ist dein Go to - Energielieferant während der zweiten Zyklusphase Fett. Dies hat Auswirkungen auf dein Training, denn du wirst merken, dass sehr intensive Kraftübungen nicht gut funktionieren, da hier Kohlenhydrate bevorzugt werden. Es ist in der Lutealphase schwieriger, Kraft aufzubauen, gleichzeitig benötigt dein Körper längere Erholungszeiten. Du kannst dich stattdessen in der Lutealphase besonders der korrekten Ausführung deiner Übungen und effizienter Erholung widmen. Bedenke außerdem, dass du deinen Beckenboden, der in der Lutealphase weicher wird, weniger belasten solltest.
Während Fett beim Krafttraining weniger gute Dienste leistet, ist es beim Ausdauertraining eine sehr gute Energiequelle. Deshalb kannst du in der Lutealphase längere Ausdauereinheiten einplanen. Aber sei auch hier achtsam und vorsichtig: In der Lutealphase und ganz besonders, wenn du unter PMS leidest, verschlechtern sich deine Haltungskontrolle, der Gleichgewichtssinn und die Feinmotorik. Das kann das Verletzungsrisiko erhöhen [4].
In Kombination mit einer verschlechterten psychischen Verfassung kann einem das die Freude auf Training und Wettkämpfe in der Lutealphase ordentlich vermiesen - auch das zeigen Erhebungen mit Athletinnen [5].
Apropos Frauen und Muskelaufbau
Das anabole Fenster, also der Zeitraum nach dem Training, in dem der Körper besonders aufnahmebereit für Nährstoffe ist, ist bei Frauen kürzer. Wenn Muskelaufbau oder Regeneration für dich also besonders interessant ist, solltest du darauf achten, schon 15-30 Minuten nach dem Training deine Post-Workout-Mahlzeit zu dir zu nehmen.
Zyklusbasiertes Training - absolut sinnvoll!
Sport während der Periode, Krafttraining für Frauen, Wettkämpfe mit PMS - du siehst, da ist tatsächlich was dran. Wenn du bisher das Gefühl hattest, dass du nicht immer gleich leistungsfähig bist, dann hast du hoffentlich nach diesem Artikel die wissenschaftliche Grundlage für dein Bauchgefühl. Physiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden im Training heutzutage immer ernster genommen. Dennoch gibt es nach wie vor eine eher dünne Studienlage und wenig spezialisierte Richtlinien für menstruierende Athletinnen. Solltest du Profi- oder Leistungssportlerin sein, ist es also durchaus sinnvoll, sich mit Expert*innen zusammenzusetzen, die deine Bedürfnisse an Training und Ernährung in den einzelnen Zyklusphasen kennen.