Es ist doch immer wieder faszinierend, wie im menschlichen Körper sämtliche Prozesse ineinandergreifen und voneinander abhängig sind. Ein ganz besonders interessanter Lebensabschnitt sind hier die Wechseljahre.
Frauen* in den Wechseljahren würden vermutlich gern auf die hormonellen Veränderungen in ihrem Körper verzichten. Besonders die Veränderung von Östrogen und Progesteron hat große Auswirkungen auf den Körper. Aber es hilft ja nichts, durch müssen wir da sowieso. Also wollen wir doch wenigstens wissen, was genau da passiert in unserem Körper, oder?
Warum ist Scheidentrockenheit in den Wechseljahren so häufig?
Eng verbunden mit einem zunehmenden Alter bei Frauen ist die Abnahme der Östrogenproduktion. Östrogen wird vom reifenden Follikel gebildet. Gehen die Follikel zum Ende der fruchtbaren Zeit aus, sinkt auch der Östrogenspiegel.
Östrogene haben eine Vielzahl von Funktionen im weiblichen Körper.
Eine der Hauptfunktionen der Östrogene ist die Ausbildung der primären weiblichen Geschlechtsorgane und damit u.a. die Funktion und das Erscheinungsbild von Vulva und Vagina. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich bei einem Östrogenmangel die Beschaffenheit der Vagina und Vulva verändert.
So hart wie es klingt: Rein biologisch ist die Funktion der Vagina nicht mehr relevant, die Frau wird keine Kinder mehr empfangen können. Und unser Körper ist schlau und verbraucht keine unnötige Energie, die er für andere Funktionen benötigen kann. Eigentlich sehr faszinierend, wenn es uns nicht in unserer Lebensqualität einschränken würde.
Wie kommt es zu Scheidentrockenheit in den Wechseljahren?
Nicht nur Hitzewallungen und Schweißausbrüche oder depressive Verstimmung sind klassische Beschwerden der Wechseljahre. Während der Wechseljahre kommt es durch die sinkenden Östrogenspiegel auch zu einigen Veränderungen im Vulvovaginalbereich, also dem Bereich, der Vulva und Vagina umfasst.
Dies führt dazu, dass 4% der Frauen in früher prämenopausaler Phase unter vaginaler Trockenheit, sprich Scheidentrockenheit leiden. Bis zur späten postmenopausalen Phase steigt der Anteil Betroffener auf 47% an [1]. Warum ist das so?
Das Scheidenmilieu verändert sich
Ohne den Einfluss von Östrogenen wird die vaginale Schleimhaut insgesamt dünner. Dies hat zur Folge, dass es weniger Schleimhautzellen gibt, die absterben und abgestoßen werden können. Tatsächlich haben diese abgestoßenen Zellen nämlich eine sehr wichtige Funktion in der Aufrechterhaltung des vaginalen Milieus.
Die abgestorbenen Zellen setzen Glykogen frei. Dieses Glykogen wird in der Vagina zu Glukose umgebaut. Die Glukose wiederum kann von Milchsäurebakterien zu Milchsäure verstoffwechselt werden. Und die Milchsäure ist der Grund für das saure Milieu in der Vagina.
Fehlt es nun an Milchsäure, nimmt der pH-Wert ab. Die Schleimhaut trocknet aus und die nützlichen Bakterien, die auf ein saures Klima angewiesen sind, sterben ab. Schädliche Bakterien können die Oberhand gewinnen. In diesem Milieu haben auch andere Krankheitserreger wie z.B. Pilze eine viel bessere Überlebenschance - Infektionen und Entzündungen sind die Folge.
Abnahme der Elastizität
Östrogene haben einen maßgeblichen Einfluss auf das äußere Erscheinungsbild der Vagina und Vulva bei jüngeren Frauen. So nehmen zum Beispiel die Querfalten im unteren Bereich der Vagina, durch welche die Vagina in ihrer Ausdehnung variabel ist (wichtig bei der Geburt eines Kindes), während der Wechseljahre ab und die Schleimhaut wird zunehmend glatter. Dadurch geht die Elastizität der Vagina verloren und die Schleimhaut trocknet leichter aus. Auch die Elastizität der Vulvalippen geht verloren, sie werden schlechter durchblutet, befeuchtet und werden insgesamt blasser [2]. Folge ist eine trockene Scheide.
Schlechtere Durchblutung und Befeuchtung
Letztendlich führt der Östrogenmangel zu einer verminderten Durchblutung und Befeuchtung der vulvovaginalen Schleimhäute. Außerdem nimmt die Funktion der Bartholin-Drüsen, welche bei sexueller Erregung ein feuchtes Sekret bilden, durch den Östrogenmangel ab.
Welche Folgen hat die Scheidentrockenheit in den Wechseljahren?
Dadurch, dass die vulvovaginale Schleimhaut nicht mehr ausreichend befeuchtet wird, kommt es zu unangenehmen Symptomen. So ist eine trockene Schleimhaut anfälliger für Infektionen und Verletzungen, die wiederum zu Jucken, Brennen, Schmerzen oder auch Blutungen führen können. Dies kann schon beim Gehen oder Sitzen Unwohlsein auslösen - wer jemals eine Vaginitis oder Pilzinfektion hatte, kennt das Ausmaß!
Besonders beim Geschlechtsverkehr können zusätzlich Wunden entstehen. Diese lösen nicht nur Schmerzen aus, sondern sind zusätzlich optimale Stellen zum Eindringen von Krankheitserregern.
Generell kann es zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr kommen. Dadurch kann es zu Libidoverlust bis hin zu Vaginismus (krampfartiges Zusammenziehen der Muskulatur, so dass die Vagina quasi verschlossen ist) kommen. Durch die Veränderungen an Vulvalippen und Klitoris kommt es eh schon zu einer Abnahme der Erregbarkeit. Der Mangel an Scheidensekret tut sodann sein Übriges und penetrativer Geschlechtsverkehr wird als unangenehm empfunden.
Auch die Infektanfälligkeit steigt durch das veränderte Scheidenmilieu - nicht nur im vulvovaginalen Bereich, sondern auch im Urogenitaltrakt! Es sind Östrogenrezeptoren im gesamten urogenitalen Gebiet zu finden. Reizblase steht daher sehr eng in Verbindung mit Östrogenmangel, genauso wie nächtlicher Harndrang und Inkontinenz [1].
Wie kann Scheidentrocken in den Wechseljahren behandelt werden?
Auch wenn sich die Beschwerden durch Scheidentrockenheit in den Wechseljahren unangenehm anhören, muss eigentlich keine Frau* diese aushalten! Denn es gibt sehr gute Möglichkeiten, die Schleimhaut zu unterstützen. Frauenärzt*innen berichten jedoch, dass die Frauen* sich eher weniger zu diesen Beschwerden in den Wechseljahren äußern. Es gibt jedoch viele Möglichkeiten, um der Scheidentrockenheit entgegenzuwirken und betroffenen Frauen in der hormonellen Umstellung zu helfen.
Cremes, Gele und Zäpfchen
Feuchtigkeitsspendende Gels, Cremes oder Zäpfchen ohne Hormone versorgen die sensible Schleimhaut des vulvovaginalen Bereiches mit Feuchtigkeit, reduzieren Verletzungen und lindern Irritationen. Der Vorteil ist, dass sie langfristig verwendet werden können, der Nachteil jedoch, dass sie ähnlich wie andere Hautpflege regelmäßig angewendet werden müssen.
Sind die Beschwerden vor allem beim Geschlechtsverkehr problematisch, kannst du auf die Verwendung von wasser- oder silikonbasierten Gleitgelen zurückgreifen. Beide Gleitgelarten sind für die Verwendung mit Kondomen geeignet und auch mit Toys kombinierbar. Wasserbasierte Gele müssen eventuell öfter aufgetragen werden, von silikonbasierten Gelen benötigst du insgesamt weniger und sie halten länger feucht.
Hormonelle Therapie der Scheidentrockenheit
Als effektive Standardbehandlung werden hormonhaltige Mittel empfohlen. Es gibt hier die Wahl zwischen östrogenhaltigen Vaginalcremes und Vaginaltabletten, die regelmäßig angewendet werden müssen, und dem vaginalen Östrogenring, der bis zu 3 Monate getragen werden kann.
Die Produkte geben das Östrogen an umliegende Gewebe ab und wirken direkt am Ort der Beschwerde. Dennoch gelangt ein kleiner Teil der Hormone auch in den Blutkreislauf. Eine Anwendung bei Patientinnen mit östrogenbedingten Krebserkrankungen muss daher kritisch abgewogen werden.
Eine systemische Östrogenbehandlung kann nach kritischer Abwägung von Risiken und Nutzen vor allem in Erwägung gezogen werden, wenn weitere Symptome, z.B. Hitzewallungen, die Lebensqualität schmälern. Hier sollte auf jeden Fall berücksichtigt werden, dass die orale Hormontherapie Inkontinenz verschlimmern kann [3].
Pflanzliche Heilmittel und Nahrungsergänzung gegen Scheidentrockenheit
Möchtest du pflanzliche Produkte den medikamentösen vorziehen oder über deine gesunde Ernährung einen Beitrag zur Linderung deiner Scheidentrockenheit in den Wechseljahren erzielen, sind Vitamin E, Vitamin D, Phytoöstrogene und pflanzliche Vaginalcremes die vielversprechendste Wahl.
Das lokale Aufbringen von Vitamin E und Phytoöstrogenen konnte die Scheidentrockenheit verbessern. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch die orale Nahrungsergänzung mit Vitamin D und Supplementation von Vitamin E [1, 4].
Als Creme kommt beispielsweise Creme mit Süßholz in Betracht [5].
Besprich dich hier am besten mit deiner Frauenärztin/deinem Frauenarzt und scheue dich nicht, deine Beschwerden zu schildern. Scheidentrockenheit in den Wechseljahren ist ein komplett natürlicher Prozess, bei dem es zahlreichende Möglichkeiten gibt, deine Beschwerden zu lindern.
Hol dir Hilfe!
Scheidentrockenheit und andere Wechseljahresbeschwerden können die Lebensqualität einschränken und sind sicher etwas, auf das wir getrost verzichten könnten. Vielleicht ist es dir aber möglich, mit einem milden Blick auf deinen Körper zu schauen, jetzt wo du weißt, warum es zu all diesen Veränderungen kommt und was für ein sensibles und ausgeklügeltes System eigentlich dahintersteckt. Du musst dich weder für deine Beschwerden schämen, noch dich mit diesen abfinden! Scheue dich nicht, dir Hilfe zu holen!