Was für eine Zeit - jede Woche ploppen neue Begriffe am Gesundheitshimmel auf: Darauf muss ich achten, dies muss ich täglich zu mir nehmen, das ist der Grund für meine Beschwerden… Wer soll denn da noch durchsehen? Und hilft das alles wirklich oder ist es nur Geldmacherei? Während Probiotika noch vor gar nicht allzu langer Zeit die stillen, zweifelhaften Begleiter einer Antibiotikatherapie waren, gehören sie heute schon fast dringend in die tägliche Ernährungsroutine. Aber warum? Wir haben für euch mal die wichtigsten Infos zusammengetragen - zu Probiotika, Prebiotika, Synbiotika, wie immer wissenschaftlich basiert!
Probiotika - Lebende Darmbakterien
Probiotika - der Name sagt’s (“für Leben”) - sind lebens- und vermehrungsfähige Mikroorganismen, die in der Regel Lebensmitteln beigefügt sind oder als Nahrungsergänzung verzehrt werden können. Probiotika findest du zum Beispiel in fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut, Joghurt, Kefir, Kombucha usw. In meist gefriergetrockneter oder mikroverkapselter Form werden probiotische Mikroorganismen in Kapseln, Tabletten oder Pulver als Nahrungsergänzung verkauft.
Probiotika haben einen gesundheitlichen Nutzen
Aber nutzen mir Probiotika wirklich? Ja. Laut WHO sind Probiotika lebende Mikroorganismen, die, in adäquaten Mengen verabreicht, einen gesundheitlichen Nutzen auf den Wirt haben. Hierfür sind verschiedene Wirkmechanismen verantwortlich.
Für die Wirkung von probiotischen Lebensmitteln sind mittlerweile viele positive Effekte sehr gut erforscht. Diese Wirkungen beziehen sich konkret auf den Darm oder haben im gesamten Organismus positive Effekte.
Förderung der Darmgesundheit
Beispielsweise Laktobazillen, Bifidobakterien und Enterokokken können die vorhandenen Darmbakterien stimulieren und stabilisieren. Sie verbessern die Darm-Barriere-Funktion, indem sie die Bildung und Freisetzung von Schleim fördern und die Verankerungen der Darmzellen über tight junctions verbessern. Ein artenreiches, harmonisches Mikrobiom ist die Grundvoraussetzung für einen gesunden Körper. Das Mikrobiom beeinflusst im Prinzip alle Stoffwechselvorgänge in unserem Körper.
Aktivierung des Immunsystems
Das Immunsystem wird durch Probiotika stimuliert, indem die für die Immunabwehr wichtigen T-Zellen aktiviert werden. Durch die Bindung an die Darmwand werden Substanzen wie Zytokine und Defensine freigesetzt, die die Immunabwehr steuern.
Senkung von Cholesterin
Ein äußerst interessanter Effekt des Verzehrs von Probiotika ist die Senkung von Serumcholesterin. Dies konnte in verschiedenen Studien gemessen werden und basiert auf der Umwandlung von Gallensäuren im Dickdarm. Dort werden Gallensalze, die zur Fettverdauung benötigt werden und Cholesterin enthalten, von Darmbakterien umgewandelt. Diese umgewandelten Gallensalze können nicht effizient von der Leber recycled werden und werden ausgeschieden. Die Leber muss neue Gallensalze bilden und verwendet dafür verfügbares Cholesterin. Dadurch sinkt das Cholesterin im Blutkreislauf.
Antibakterielle Wirkung
Zusätzlich bilden die über die Nahrung aufgenommenen Bakterien genau wie die bereits vorhandenen Darmbakterien Substanzen, die schädliche Mikroorganismen direkt hemmen oder das Milieu im Darm verändern, so dass diese sich nicht vermehren können. Zu diesen Substanzen gehören beispielsweise Bacteriocine oder Wasserstoffperoxid, die das Wachstum anderer Bakterien hemmen oder diese abtöten und so zur Regulation des harmonischen Mikrobioms beitragen. Milchsäure, welche von u.a. Milchsäurebakterien gebildet wird, erzeugt einen leicht sauren pH-Wert im Dickdarm, welcher die Vermehrung von gesundheitsschädlichen Bakterien oder anderen Krankheitserregern hemmt und die Funktion der Verdauungsenzyme ermöglicht. Aus diesem Grund werden Probiotika mittlerweile auch immer häufiger als Alternative zu Antibiotika eingesetzt, wenn die vorhandenen Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen. Die Probiotika bilden zusätzlich auch Substanzen, die sie und andere vorteilhafte Bakterienstämme als Nahrung nutzen, beispielsweise kurzkettige Fettsäuren.
Konkurrenz mit anderen Darmbakterien
Ein weiterer Mechanismus ist der Wettbewerb mit bereits angesiedelten Bakterien im Darm. Beispielsweise konkurrieren die aufgenommen Bakterien mit den Darmbakterien um freie Bindungsplätze an den Darmwandzellen. Dadurch wird der Kontakt der Darmzellen mit Krankheitserregern oder entzündungsfördernden Bakterien reduziert. Ein weiterer Wettbewerb entsteht um Nahrung für die Mikroorganismen. Potentiell schädliche Bakterien werden so im Wachstum gehemmt. [1]
Breites Spektrum von Anwendungsgebieten
Weitere typische therapeutische Einsatzgebiete für Probiotika sind Laktoseintoleranz, Allergien, Erkrankungen der Herzkranzgefäße oder Magengeschwüre. Der Nutzen bei Durchfallerkrankungen, Karies oder auch Dickdarmkrebs wird noch erforscht. [2]
So wirken Probiotika:
- Stärkung der Darmbarriere
- Stimulation und Stabilisierung des Mikrobioms
- Stimulierung des Immunsystems
- Reduktion von Serumcholesterin
- Bildung hemmender oder antibakterieller Substanzen (Postbiotics) wie Bacteriocine, Milchsäure oder Wasserstoffperoxid
- Bildung von wachstumsfördernden Substanzen wie kurzkettigen Fettsäuren aus Nahrungsbestandteilen
- Konkurrenz um Nahrung und Kontakt mit der Darmschleimhaut
- Produktion von B-Vitaminen, Verbesserung der Calcium-Bioverfügbarkeit aus der Nahrung
Prebiotika - Nahrung für Darmbakterien
Prebiotika sind Nahrungsbestandteile. Sie können im menschlichen Darm nicht verdaut werden, werden aber von den Darmbakterien verstoffwechselt. Die Stoffwechselprodukte haben Einfluss auf das Wachstum und die Aktivität der Darmbakterien, so dass der menschliche Körper gesundheitliche Vorteile aus diesem Effekt ziehen kann.
Prebiotika sind Ballaststoffe - aber nicht ausschließlich
Im Allgemeinen werden unter Prebiotika alle Arten von Ballaststoffen zusammengefasst, die im Darm von Darmbakterien fermentiert werden können. In der Regel sind dies lösliche Ballaststoffe. Sehr gut erforscht sind z.B. die Fructooligosaccharide (FOS), welche besonders von Bifidobakterien bevorzugt werden. Zu den FOS gehört Inulin, das natürlich u.a. in Topinambur, Artischocke, Schwarzwurzel oder Karotten vorkommt. Auch Pektine aus z.B. Apfel, Beeren oder Aprikosen gehören zu den Prebiotika. Ein spannender prebiotischer Ballaststoff ist die resistente Stärke. Sie bildet sich, wenn stärkehaltige Lebensmittel wie Kartoffeln, Nudeln oder Reis nach dem Kochen abkühlen. Nach etwa 12 Stunden hat sich die Stärke in ihrer Struktur so verändert, dass sie nicht mehr verdaut werden kann, aber nun von den Darmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren umgewandelt werden kann.
Sekundäre Pflanzenstoffe als Prebiotika
Auch Substanzen, die nicht zu den Kohlenhydraten gehören, können als Prebiotikum gelten, wenn sie das Mikrobiom positiv unterstützen. Zum Beispiel Flavanole, sekundäre Pflanzenstoffe aus Kakao, sollen das Wachstum von Milchsäurebakterien fördern. Bifidobakterien scheinen die Substanz EGCG (Epigallocatechingallat) gut zum Wachstum verwenden zu können [3]. Quercetin aus z.B. Äpfeln, Tomaten und Zwiebeln hat ebenfalls einen Einfluss auf ein harmonisches Mikrobiom [4].
Auch Darmbakterien wollen abwechslungsreich ernährt werden
Die verschiedenen Bakterienstämme sind echte Feinschmecker und bevorzugen unterschiedliche Ballaststoffquellen. Deshalb sollte Prebiotika immer abgestimmt werden auf die Bakterienstämme, die gefördert werden sollen. Wie bereits oben beschrieben, nutzen Bifidobakterien, die zu den säurebildenden Bakterien gehören und verschiedene andere gesundheitsförderliche Effekte haben, besonders gern Inulin aus Zichorie. Laktobazillen wie Akkermansia muciniphila und Faecalibacterium prausnitzii verstoffwechseln gern resistentes Maisdextrin, das in seinen Eigenschaften vergleichbar mit resistenter Stärke ist. Gute Prebiotika enthalten Ballaststoffe aus verschiedenen Quellen.
Synbiotika
Um die Vorteile von Probiotika und Prebiotika zu kombinieren, werden viele Nahrungsergänzungsmittel mittlerweile als Synbiotika angeboten. Synbiotika sind komplementär und synergistisch wirkende Präparate, die sowohl Mikroorganismen als auch prebiotische Substrate enthalten. Das bedeutet, dass die Bestandteile für sich jeweils gesundheitliche Vorteile bringen, gleichzeitig aber die Mikroorganismen direkt ein für sie passendes Substrat finden, das sie verstoffwechseln können. Ein synbiotisches Produkt verbessert so das Überleben und das Anwachsen von lebenden Probiotika im Darm [2].
In Studien konnten Synbiotika die Gesundheit und Ernährung verbessern, indem sie zum einen die Anzahl von Bifidobakterien und Lactobazillen signifikant erhöhten. Zum anderen wurde eine erhöhte Freisetzung von Verdauungsenzymen wie Laktase, Lipase, Sucrase und Isomaltase gemessen.
Durch die Verwendung von Synbiotika ließen sich Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das Auftreten des metabolischen Syndroms (Bluthochdruck, Mehrgewicht, Zucker- und Fettstoffwechselstörungen) und Marker für Insulinresistenz bei älteren Personen reduzieren [1].